5. Kapitel

Von dem Irrtum vieler, die den Kleinmut als eine Tugend ansehen

Gar viele täuschen sich auch darin, daß sie den Kleinmut und die Unruhe, welche der Sünde folgen, als eine Tugend ansehen, zumal dieselben mit einem gewissen Unbehagen verbunden sind.

Sie sehen nicht ein, daß diese Unruhe nur einem geheimen Stolz entspringt, der sich auf ihrem vermessentlichen Selbstvertrauen gründet, womit sie sich allzusehr auf ihre eigenen Kräfte verließen.

Beim Anblick ihres Falles und der Erkenntnis, daß ihre Kräfte dennoch versagten, verlieren sie ihre ganze Ruhe. Sie verwundern sich wie über etwas ganz Neues und verfallen dem Kleinmut, weil ihre Stütze, auf die sie törichterweise so fest bauten, zusammengebrochen ist.

Einem Demütigen aber, der auf Gott allein sein ganzes Vertrauen setzt, kann ein Straucheln gar nichts anhaben. Trotz seines tiefen Reueschmerzes bleibt er ruhig. Ebenso verwundert er sich auch gar nicht darüber; denn er weiß wohl, daß ihm das alles nur infolge seiner eigenen Armseligkeit und Gebrechlichkeit zustieß, wie er ja auch alles im klaren Licht der Wahrheit betrachtet.