13. Grund: Der beste Gebrauch, den man von seiner Freiheit machen kann, besteht darin, sie in die Hände Gottes zurückzugeben.
Wir wissen alle, daß unsere Vollkommenheit, unser Heil geknüpft ist an den guten Gebrauch unserer Freiheit. Wir wissen ferner, daß wir sie jeden Augenblick mißbrauchen können, daß ein kleiner Fehler uns zu einem größeren führen und uns so stufenweise unsere Verwerfung vollenden kann.
Unsere Schwäche ist äußerst groß; wir können es uns nicht verhehlen. Wir sind belagert von Versuchungen und immer zur Sünde geneigt durch den Hang unseres Herzens. Es ist wahr, die Gnade Gottes fehlt uns nicht, sei es, um uns vor dem Fall zu hüten, sei es, uns von unseren Fällen zu erheben. Aber nichts ist uns alltäglicher, als der Gnade nicht zu entsprechen, und das ist's, was uns schuldig macht. Die Freiheit ist uns gegeben, um uns zu retten, und die meisten gebrauchen sie, um sich zu verderben.
Woher kommt für sie dieses Unglück, und welches ist die erste Ursache davon? Daß sie ihren freien Willen nie in die Hände desjenigen zurückgegeben haben, der ihn allein sicher regieren und der allein ihn verhindern kann, sich links und rechts abzuwenden. Soweit wir Meister über ihn sein wollen, so lange wir gedenken, selber über ihn zu verfügen, sind wir immer in der nächsten Gefahr, ihn schlecht zu gebrauchen, und wenn diese Anmaßung uns nicht immer in's Verderben führt, so wird sie uns wenigstens nie zur Heiligkeit führen. Wenn wir aber unsere Blindheit und Schwäche demütig erkennen, wenn wir Gott bitten, sich unser anzunehmen, wenn wir entschlossen sind, in keinem Punkte unserem eigenen Urteil zu folgen, wenn wir uns mit Gott beraten, um Seinen Willen zu erkennen, wenn wir warten, bis Er sich uns offenbart, sei es durch innere Einsprechungen, sei es durch die Stimme des Vorgesetzten oder durch guten Rat, dann haben wir keinen Mißbrauch unserer Freiheit zu fürchten; nicht wir sind es mehr, die für uns verantwortlich sind: es ist Gott, der für uns bestimmt. Die Sorge, die Er für Seine Ehre, die zarte Liebe, die Er zu uns hat, schützen uns vor jeder Klippe und werden uns unfehlbar an den Strand der glückseligen Ewigkeit führen. Überzeugt von dieser Wahrheit, können wir einen Augenblick zögern, Gott die Leitung unserer Freiheit anzuvertrauen? Wie dürfen wir einen einzigen Schritt aus uns machen, wie Pläne bilden, wie uns in Unternehmungen hineinwerfen, von denen wir nicht wissen, was sie für Folgen haben für unser Seelenheil? Diese Pläne, sagst du, diese Verbindlichkeiten haben nichts Böses an sich; ich finde nichts daran, was im geringsten mein Gewissen berührt. Das kann sein, aber du weißt nicht, was daraus folgen wird für deine Seele. Du weißt nicht, ob jener Lebensstand, jene Verbindung, jene Reise, jener Wohnungswechsel nicht für dich Gelegenheit zur Sünde, die Ursache zum Verderbnis deiner Grundsätze, deiner Sitten wird. Der Abgrund zeigt sich dir nicht beim ersten Schritt, den du auf dem Wege machst, aber vielleicht ist einer vorhanden. Gott sieht ihn und wird dich vor ihm bewahren, wenn du entschlossen bist, keinen Schritt zu tun, ohne Ihn um Rat zu fragen.
Aber wie, erwiderst du, hat Gott mir die Freiheit gegeben, daß ich derselben entsage und mich zu einer ständigen Sklaverei zwinge? Kann ich also nichts mehr über mich verfügen? Gott hat dir die Freiheit gegeben, damit du sie zu Seinem Dienste anwendest und daß du sie immer Seinem Willen untertänig haltest. Er hat dich nicht frei gemacht, um dich zu bevollmächtigen dich Seiner Abhängigkeit zu entziehen, sondern damit diese Abhängigkeit freiwillig und von deiner Wahl sei. Er läßt dich die Rechte erkennen, die Er über dich hat, das Bedürfnis, das du hast, von Ihm abzuhängen, die Vorteile, die sich hieraus für dich ergeben, die Gefahren, die du läufst, wenn er dich nicht beständig bei der Hand hält. Kannst du es leugnen, daß der beste Gebrauch, den du von deiner Freiheit machen kannst, darin besteht, daß du sie gebrauchst nach den Absichten Gottes, indem du sie Ihm weihest, damit Er sie beherrsche durch Seine Vorsehung und durch Seine Gnade? Du nennst das, dich der Sklaverei überlassen? Im Gegenteil, das heißt, dich in die volle Freiheit der Kinder Gottes zu versetzen. Du verfügst in allem über dich selbst, aber unter dem Wohlgefallen Gottes, aus dem du auch das deinige gemacht hast durch deine Hingabe an Ihn. Wenn das eine Knechtschaft ist, so ist es die der Liebe, die der Engel und Heiligen im Himmel; es ist die Quelle ihres Glückes. Auch du wirst nie anders glücklich werden, weder in diesem noch im anderen Leben.