2. Grund: Ich kann nicht glücklich sein, ohne mich Gott hinzugeben.
Da Gott mein höchstes Gut ist, so kann es für mich weder in dieser noch in der andern Welt ein Glück geben, ohne in der Vereinigung mit Ihm. Aber hienieden, wo ich Ihn nur durch den Glauben erkenne, welch andere Vereinigung kann ich mit Ihm haben, als die, daß ich mich Ihm hingebe, um mich nicht mehr von Ihm zu trennen? Daß ich Ihm meinen Verstand und mein Herz weihe, um mit Ihm nur eines auszumachen durch die Gleichförmigkeit der Gesinnung? Er hat mir die Unterscheidungsgabe und die Freiheit gegeben, damit ich Ihn und meine Beziehungen zu Ihm erkennend, mich einzig und unwiderruflich durch freie Wahl an Ihn mich anschließe.
Seine Absicht war, daß meine Selbsthingabe, indem sie freiwillig ist, für Ihn glorreich und für mich verdienstlich sei, indem ich Ihn ehre durch eine vorzügliche Liebe. Und indem ich schon in diesem Leben durch diese Liebe anfange glücklich zu sein, verdiene ich, Ihn ewig zu verherrlichen im Himmel und so die Vollendung meines Glückes in der Vollendung meiner Liebe zu finden.
Auch sagt Er mir in der Hl. Schrift: „Mein Sohn gib mir dein Herz!“ (Spr. 23, 26). Alles, was Er von mir will, zielt auf diese Gabe ab, die in Wahrheit alles in sich begreift, die das einzige ist, auf was Er eifersüchtig ist, und ohne die jegliches Opfer von meiner Seite nichts wäre für ihn. Gib mir dieses Herz, das ich für mich geschaffen habe, das ich allein ausfüllen kann, das durch sein tiefstes Sehnen nur nach mir schmachtet und das außer mir weder Friede noch Glück zu finden weiß. Es gehört mir und zwar nur mir. Und was seine Größe und seinen Adel ausmacht, ist das, daß jegliches Wesen außer mir zu klein ist für dich.
Nicht für seinen Vorteil verlangt Gott es von uns, sondern zu unserem Nutzen. Er bedarf unser nicht; aber wir können nicht sein ohne Ihn. Er ist unendlich glücklich durch sich selber und ich werde nie glücklich sein ohne Ihn. Kann ich selber mein Glück ausmachen? Nein, ich sehe in mir nichts als Dürftigkeit, und das überrascht mich nicht; denn ich bin ein aus dem Nichts gezogenes Geschöpf.
Die andern Geschöpfe und alle Güter des Weltalls, können sie zu meinem Glück beitragen? Ebenfalls nicht.
Sie sind wie ich aus dem Nichts gezogene Wesen, im Grunde ebenso dürftig wie ich. Wenn ich sie alle besäße und für immer, wäre mein Herz nicht weniger leer, nicht weniger hungrig, nicht weniger begierig nach dem wahren Gute, nach dem erhabenen Gute, das kein anderes ist als Gott. Bis dieses Herz ganz Gott angehört, hat es keine Ruhe; es wünscht, es bedauert immer etwas. Im Gegenteil ist es freudig, ruhig im Besitze Gottes.
Es hat nicht mehr lange Weile, die an ihm zehrt und nagt, die jeden verzehrt, der nicht sein Glück in Gott sucht. Aber nie wird das menschliche Herz Gott anders besitzen, als insoweit Gott es besitzt. Gott gibt sich ihm in dem Maße, als es sich Ihm hingibt. Alles um Alles.