8. Grund: Die vom Evangelium vorgeschriebene Selbstverleugnung ist das gleiche, wie die Hingabe an Gott.
Jesus Christus hat gesagt: „Wenn jemand mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Matth. 16, 24). Das sind die zwei Bedingungen, die Er von jedem fordert, der ihm nachfolgen will: sich selbst verleugnen und sein Kreuz tragen. Aber diese beiden Bedingungen setzen voraus und schließen in sich die Hingabe an Gott, und sie sind eigentlich nur deren Verwirklichung.
Sich verleugnen in dem Sinne, wie Jesus Christus es versteht, heißt, sich in die Hände Gottes hingeben, damit Er uns, die wir Sünder und Unvollkommen sind, gerecht und vollkommen mache; heißt Ihm alle unsere Fähigkeiten hingeben, damit Er sie reinige; heißt, abstehen von unseren eigenen Wegen, damit Er uns führend durch Seine eigene Gnade, uns zu einer Heiligkeit bringe, die Seiner würdig ist. Der Christ verleugnet sich nur, um sich Gott hinzugeben; sobald er sich selbst verleugnet, gehört er nicht mehr sich, er gehört Gott. Die Übung der Selbstverleugnung besteht darin, in uns alles zu bekämpfen und zu zerstören, was uns hindert Gott anzugehören. Man muß also den Weg der Nachfolge des Erlösers betreten durch einen allgemeinen Akt der Selbstverleugnung, welcher der Hingabe unserer selbst an Gott entspricht, und dann zur Selbstverleugnung im einzelnen schreiten, die Gott fortwährend von uns verlangt, indem Er uns uns selber absterben läßt, um nur für Ihn zu leben. Ebenso das Kreuz nehmen und es tragen heißt täglich, wie aus der Hand Gottes, alle Leiden, alle Widersprüche, alle Demütigungen annehmen, die uns von irgendwelcher Seite herkommen, von Gott, von den Menschen, oder vom bösen Geist; heißt sich nicht darüber beklagen, sondern sie ertragen mit Ergebung, mit Geduld, mit Liebe. Das kann man aber nicht, wenn man nicht erkennt, daß Gott das Recht hat, über unsere Person und über alles, was uns angehört, zu verfügen, und daher frei ist, mit uns zu tun, wie es ihm gefällt. Und wir müssen solch einen Stand der ständigen Hingabe an den Willen Gottes erreicht haben, wenn wir mit Job sprechen wollen: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen: der Name des Herrn sei gebenedeit.“ Ist es möglich, so zu reden und zu denken, ein unterwürfiges und friedliches Herz zu bewahren inmitten aller Art von Leiden, wenn man sich nicht ganz Gott hingegeben hat mit dem Willen, sich nie zurückzunehmen, in welcher Lage man sich auch befindet? Ist es nicht offenbar, daß unsere Klagen, unser Murren, unser Widerstand gegen das Kreuz ihre Quelle haben im Eigensinn, in der Eigenliebe, mit einem Wort, in einer Natur, die noch nicht geheiligt ist und die noch in sich und für sich lebt? Man darf sich also nicht schmeicheln, Jesus Christus nachzufolgen durch den Weg der Selbstverleugnung und des Kreuzes, wenn man nicht angefangen hat, sich ganz Gott hinzugeben.