Von der Hingabe seiner selbst an Gott
Es liegt in der Absicht Gottes, daß der Christ, sobald er den Gebrauch der Vernunft hat, sich Ihm von ganzem Herzen übergebe, weihe und heilige, indem er dadurch das Opfer bestätigt, das mit ihm bei der Taufe gemacht wurde. Wenige Christen leisten diese volle Hingabe ihrer selbst, nachdem sie zum Selbstbewußtsein und zur Überlegung gekommen sind.
Der größte Teil selbst von denen, die sich zur Frömmigkeit bekennen, wissen ihr Leben lang nie, was das heißt, sich so Gott zu weihen. Wenn man ihnen davon spricht und ihnen den Vorschlag macht, in diese einem Christen so notwendige Gesinnung einzugehen, so verstehen sie einen nicht, und sie können sich zu diesem großen Opfer, das alle andern in sich schließt, nicht entschließen.
Man bestimmt sich einen Plan von Frömmigkeit nach den eigenen Ideen, aber nicht nach der Idee Gottes, einen Plan, nach dem man sich wohl bis zu einem bestimmten Punkte der Gnade unterwerfen, aber sich nicht ganz in allen Sachen von ihr will beherrschen lassen.
In allem, was nicht ausdrücklich befohlen, oder in dem, worin man sich nicht gern unterwirft, glaubt man sich berechtigt, über sich selbst zu verfügen und meint, Gott wolle uns nicht in dem Grade Zwang antun, daß wir in allen Einzelheiten unseres Benehmens von Ihm abhängig seien.
Wenn es also wenige gibt, die diese volle Hingabe an Gott machen, so gibt es noch wenigere, welche darin verharren und sie vollziehen. Nachdem sie sich einmal so geweiht haben, zögern sie nicht, sich wieder zurückzunehmen, um sich wieder nach dem Wohlgefallen ihres eigenen Geistes und ihrer Eigenliebe zu regieren. Es kostet ihrer Natur zu viel, beständig unter der Abhängigkeit Gottes zu leben. Sie lockern nach und nach das Joch, heute in diesem Punkte, morgen in einem andern; manchmal kommen sie so weit, daß sie es ganz abschütteln. Dies ist der Grund, warum so viele Seelen zu Grunde gehen; viele andere treten erst in den Himmel ein, nachdem sie ein langes und schreckliches Fegfeuer durchgemacht. Aus dem gleichen Grunde gibt es auch so wenige Heilige.
Ich verstehe unter der Zahl der Heiligen jene, die, in welchem Alter es immer sei, ob sie die Unschuld immer bewahrt, oder ob sie dieselbe verloren, und ob sie selbst einige Zeit in der Gewohnheitssünde gelebt, sich endlich ernstlich Gott hingegeben und alle Pflichtansprüche der Vollkommenheit nach Möglichkeit erfüllt haben.
Von allen Gegenständen der christlichen Moral ist dieser ohne Widerrede der wichtigste; er ist das Fundament des ganzen Gebäudes; durch ihn muß man anfangen, und ich glaube nicht, daß man anderswie ein wahrer Jünger Jesu werden kann. Man kann also diesen Gegenstand nicht genug ergründen, denn wohlverstanden, er gibt uns das Verständnis für alles übrige. Bitten wir Gott, daß Er selbst uns hierüber erleuchte und lesen wir mit gelehrigem Herzen folgende Betrachtungen: