Die
Prioritäten richtig setzen
Heinrich Spaemanns
Lebensregeln für jeden Christen
1.
Erstwichtiges nicht länger an die zweite Stelle setzen. Erst wichtig
ist unsere Verbundenheit mit Gott.
Sie soll durch den Tod hindurch die
bleibende Wirklichkeit für mich werden. Das hängt mit davon
ab, dass ich Gott hier und jetzt schon
den ersten Platz in meinem Denken, Reden und Verhalten einräume.
Darum z.B. den Tag mit Gebet beginnen,
nicht mit der Zeitung oder anderem.
Und mit Gebet durchdringen! Ziel:
Nichts ohne Verbundenheit mit Gott.
2.
Den Mut haben, Gott immer und überall zu danken; vertrauen, dass die Vaterliebe
Gottes alles verantwortet, was mir begegnet,
das Schöne und Wohltuende, aber auch Leid und Ungemach.
3.
Sorge tragen, dass das vordergründige Vielerlei im Leben nicht überhand nimmt, sondern
abnimmt. Das materielle wie das
geistige Konsumangebot unserer Zeit
ist übergroß. Auswählen, sich
beschränken, besonders wenn es ums
Fernsehen, um Radio, Zeitschriften
und Zeitungen geht. Gefahr ist, dass
man die Mitte verliert, statt zu ihr hinzufinden. Vieles lassen,
das führt zur Gelassenheit.
4.
Bescheiden und anspruchslos sein.
„Eng ist die Tür, die ins Leben führt". Nur Leute ohne Gepäck,
Kinder und Arme kommen durch
diese Tür. Darum nicht reicher, sondern
lieber ärmer werden wollen, gerne
herschenken, was man selber nicht
mehr nötig braucht. Sich auch gern
beschenken lassen, jedoch nichts bloß für
sich behalten wollen. Was man nicht
loslassen will, damit kommt man nicht
durch. Das hindert den Eingang durch
die enge Tür. Und die Linke nicht
wissen lassen, was die Rechte tut.
5.
Sich nicht ängstlich sorgen und sichern. Gott die Zukunft überlassen.
An den Mann denken, der reiche Erträge gehabt hat und nur auf eine
sichere Kapitalanlage für sich und seine
Sippe bedacht ist, und dem Gott in seine Überlegungen hinein sagen muss:
:
„Du Narr, in dieser Nacht noch wird man deine Seele von dir fordern!“
(Lk 12, 16-21). Sich mit dem
„ungerechten
Mammon" Freunde
verschaffen, die einen in die ewigen Wohnungen aufnehmen
(Lk 16,9).
6.
Sich in der Nähe des Gekreuzigten halten. Das Kreuzzeichen ist
Nachfolgezeichen! Sich nicht verbittern oder
empören lassen, wenn man weniger
beachtet, übergangen oder mit zunehmendem Alter auch vergessen wird.
Sich nicht ärgern, wenn bestimmte Wünsche
oder Vorstellungen nicht erfüllt oder von andern durchkreuzt werden.
Sich sagen: das ist Schulung und Prüfung im Christsein. Du hast sie nötig. Durch die Teilnahme an Jesu Leiden erfährt
man erst die Kraft seiner Auferstehung.
7.
Wachen über ein zartes Gewissen. Sich selbst keine Unaufrichtigkeiten
oder Lieblosigkeiten durchgehen lassen.
Sie aufrichtig zu bereuen suchen. Gott schenkt
immer wieder den Neubeginn in Lauterkeit.
8.
Maria lieben und ehren. Jesus gab sie uns zur Mutter.
SPAEMANN,
Heinrich: kath.
Priester u. geistlicher Schriftsteller, * 1904, † 1.5. 2001 in Überlingen am
Bodensee. - Sp. gilt als einer der bedeutendsten geistlichen Autoren im
deutschen Sprachgebiet. Aus dem Ruhrgebiet stammend war er Priester des Bistums
Münster und Mitglied der Priesterbruderschaft Charles de Foucauld. - Er wuchs
in Westfalen, am Rande des Ruhrgebietes in einem evangelischen Elternhaus auf.
In den zwanziger Jahren studierte er Kunstgeschichte in München und Berlin und
wandte sich dabei ganz vom Glauben ab. Er wurde Atheist. Als sogar radikaler
Atheist trat er in die Redaktion der Berliner »Sozialistischen Monatshefte«
ein unter Ernst Bloch. Er heiratete die Tänzerin und Mary Wigman-Schülerin
Ruth Krämer. 1927 wurde ihm der Sohn Robert geboren. 1930 wandte er sich mit
seiner Frau und seinem Sohn Robert dem Christentum wieder zu und trat in die
katholische Kirche ein. Dieser Sohn Robert wurde später christlicher Philosoph
und brachte es bis zum Universitätslehrer. Er wirkte in Stuttgart, Heidelberg
und München. Nach dem Tode seiner Frau 1936 nahm Sp. das Studium der Theologie
auf und wurde 1942 in Münster von Bischof Galen zum Priester geweiht. Sehr
treffend wird im Nachruf auf ihn gesagt: »Als angesehener Exerzitienmeister,
geistlicher Ratgeber und Autor zahlreicher Bücher - darunter das weit
verbreitete Werk: Das Prinzip der Liebe, hat Spaemann ganze Generationen
unruhiger Gottessucher in die Tiefe des je eigenen Fragens hinein begleitet.«
(Christ in der Gegenwart Nr. 21/2001, S. 174). 1969 ging er als Rektor ans
Vianney-Hospital in Überlingen am Bodensee und trat in die Priesterbruderschaft
Charles de Foucauld ein. Immer am Pulse der Zeit stehend erfüllte ihn stets
heilige Unruhe im Fragen nach dem Gott im Hier und Jetzt und wie der Mensch der
Gegenwart auf diesen Gott zugeht, zugehen kann. Immer wieder sprach er
Zeitdiagnosen aus, so z. B. das berühmte Wort: »In den Kirchen Europas geht es
heute um den gesunkenen Grundwasserspiegel und dass er steige.« Daher auch sein
Anliegen einer stetigen Erneuerung des Glaubens.