Die geistige Kommunion ist der sakramentalen Kommunion gleichwertig. Die inneren Anforderungen sind die gleichen: frei sein von schwerer Sünde (Prof. Dr. Georg May)
DIE GEISTIGE KOMMUNION
Erklärt von Prälat Hochw. Prof. Dr. Georg May
Die «Geistige Kommunion» - so die Einleitung der « Kirchlichen Umschau» vom März 2020 - ist wieder in aller Munde. Nicht erst seit der Amazonas-Synode und der Frage von der Kommunionspendung an diejenigen, die in ungeordneten Eheverhältnissen (Amoris laetitia) leben. Die Corona-Krise hat sie dem Vergessen entrissen. Prälat Prof. Dr. Georg May, eine der großen katholischen Priestergestalten unserer Tage, hat in einer Predigt in Mainz-Budenheim jüngst (23. Feburar 2020) an sie erinnert:
«Wie bei der Taufe und beim Bußsakrament gibt es aber auch bei der Eucharistie (Altarssakrament) neben dem Sakramentalen Empfang einen geistigen Empfang durch das Verlangen nach dem Sakrament. Die Geistige Kommunion enthält das Verlangen nach dem sakramentalen Herrenleib. Sie ist eine Begierdekommunion. Der Römische Katechismus bestimmt die Geistige Kommunion als den Wunsch und das Verlangen, beseelt vom lebendigen Glauben, der in der Liebe wirksam ist, den sakramentalen Leib des Herrn zu empfangen. Die geistige Kommunion ist der Genuss des Leibes Christi durch den Glauben, durch das Verlangen, durch den Willen, d.h., allein durch den Geist des Menschen, deswegen geistige Kommunion. Sie besteht in der Erweckung des Glaubens, der Liebe, der Reue über die Sünden und vor allem in dem Verlangen, den Leib des Herrn geistig und bei nächster Gelegenheit auch sakramental zu empfangen. Ohne dieses Verlangen kommt die Geistige Kommunion nicht zustande. Die geistige Kommunion ist eine personale Kommunikation, eine personale Verbindung. Sie ist eine würdige Kommunion, sie ist das Verlangen nach der sakramentalen Kommunion.
Das Konzil von Trient beschreibt die geistige Kommunion wie folgt: Sie besteht in dem vom Verlangen eingegebenen Vorsatz, das Himmelsbrot zu essen, der aus lebendigem Glauben, der durch die Liebe wirkt, hervorgeht. Durch das Verlangen und die Sehnsucht erlangt man die Gnadenwirkung der sakramentalen Kommunion auf nichtsakramentale Weise, also auf dem Wege der Begierdekommunion. Begierdetaufe, Begierdebeichte und Begierdekommunion beruhen auf dem gleichen Grundsatz, nämlich dass der wirksame Wunsch nach Sakramentenempfang den sakramentalen Empfang ersetzen kann.
Die Notwendigkeit eines sakramentalen Mittels ist also eine zweifache: entweder durch tatsächlichen Empfang oder durch das ernsthafte Verlangen nach dem Empfang. Die Barmherzigkeit Gottes kommt denen entgegen, die das Sakrament aus ernsthaften Gründen nicht empfangen können. Geistige Kommunion ist der sakramentalen Kommunion gleichwertig. Sie bewirkt die vorsakramentale und außersakramentale personale Gemeinschaft mit Christus allein durch Glaube und Liebe. Die geistige Kommunion vereinigt den Gläubigen mit Christus. Sie bewahrt, entfaltet und kräftigt das göttliche Leben in uns; sie stärkt gegen Leidenschaften und Versuchungen; sie entzündet die heilige Freude in der Seele; sie tilgt die lässlichen Sünden und bewahrt vor Todsünden; sie vergibt zeitliche Sündenstrafen. Noch einmal: die geistige Kommunion ist kein Derivat, keine Ableitung, kein Ersatz für die sakramentale Kommunion, sondern sie ist in der inneren Wirkung der sakramentalen Kommunion gleichwertig.
In beiden Formen geschieht die reale gnadenhafte Verbindung mit der Person Christi. Wie viel an Gnaden jeder empfängt, der die geistige Kommunion übt, hängt vom Zustand seiner Seele ab, also vor allem vom Grad und Maß des sehnsüchtigen Verlangens nach dem eucharistischen Heiland (dem Heiland im Altarsakrament). Wer größere Sehnsucht nach dem sakramentalen Empfang des Herrenleibes hat, vermag mehr Kraft und Licht vom Herrn zu schöpfen.»
Warnung!
Prälat May spricht aber auch eine Warnung aus: «Aber aufgepasst! Die geistige Kommunion verlangt alle zur sakramentalen Kommunion erforderlichen Voraussetzungen. Die inneren Anforderungen sind bei der geistigen Kommunion keine anderen als bei der sakramentalen Kommunion. Die geistige Kommunion ist also kein Ersatz für den, der in schwerer Sünde lebt und deswegen die sakramentale Kommunion nicht empfangen kann. Wenn man - wie das heute geschieht - ungültig Verheirateten empfiehlt, statt der ihnen verwehrten sakramentalen Kommunion die geistige Kommunion zu üben, so rät man ihnen zu etwas Unmöglichem. Ich sage noch einmal: Die inneren Anforderungen sind bei der geistigen Kommunion dieselben wie bei der sakramentalen. Das Herz dessen, der sie übt, muss frei von schwerer Sünde sein.»
Der gelehrte Mainzer Kanonist erklärt weiter: «Die Notwendigkeit der sakramentalen Kommunion steht fest: <Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.> Nun kann aber ein Hindernis vorliegen, das die reale sakramentale Kommunion unmöglich macht. Es gibt Situationen, in denen der Empfang des wahren Herrenleibes (Hostie) unmöglich ist: Es ist kein Priester erreichbar, der das Messopfer feiert und die sakramentale Kommunion austeilt. Es ist kein Spender der sakramentalen Kommunion vorhanden, oder ein solcher steht zwar bereit, verfügt aber nicht über konsekrierte (verwandelte) Hostien, oder der Leib des Herrn wird zwar ausgeteilt, aber die Hostien reichen nicht für alle, die zur Kommunion gehen wollen. Also: Als Nutznießer der geistigen Kommunion kommen in Frage Kranke, Todsünder mit vollkommener Reue vor Empfang der sakramentalen Absolution (Sündenvergebung), Christen in der Diaspora (konfessionelle Minderheit) und in Missionsländern, in der Verfolgung. Wer immer aus äußeren Gründen den Leib des Herrn nicht in sakramentaler Weise empfangen kann, ist aufgefordert, ihn in geistiger Weise aufzunehmen.»
Prälat Georg May erinnert an einen weiteren wichtigen Punkt:
«Die geistige Kommunion kann so oft empfangen werden, wie es möglich und tunlich ist (im Gegensatz zur sakramentalen Kommunion einmal im Tag). Man kann die geistige Kommunion jederzeit üben: am Tag wie in der Nacht, beim Aufstehen und beim Schlafengehen, in der Freude und im Leid, bei Kummer und in Versuchungen. Man kann die geistige Kommunion überall üben: in der Kirche, zu Hause, auf der Reise; besonders empfehlungswert ist ihre Vornahme beim Besuch des allerheiligsten Sakramentes und beim Vorübergehen an einer Kirche. Die Geistige Kommunion zu üben, ist nicht schwer; sie ist sehr einfach. Wer aufrichtig zu Jesus betet: <ICH GLAUBE AN DICH, ICH LIEBE DICH, ICH VERLANGE NACH DIR>», hat die geistige Kommunion gültig vollzogen.
Die geistige Kommunion nimmt nicht viel Zeit in Anspruch; man braucht keine langen Gebete zu sprechen; man bedarf nicht eines Gebetbuches; man braucht keinen Priester und keinen Diakon; man muss nicht die eucharistische Nüchternheit beobachten. Das Formulieren des Verlangens nach geistiger Kommunion ist nicht schwer, meine lieben Freunde. «Komm, mein Jesus, mein eucharistischer (altarssakramentaler) Heiland, Du mein Erlöser und Freund, komm in meine Seele, erleuchte sie, stärke sie, vereinige sie mit Dir.» Und schon hat man die geistige Kommunion erweckt. «Komm zu mir, o Jesus, im Heiligsten Sakrament des Altares, komm in mein Herz, läutere es, reinige es, schmücke es. Sei mein Licht und meine Stärke.» Ein besonders geeignetes Gebet, um auf geistige Weise Kommunion zu halten, sich mit Christus zu vereinigen, ist das Gebet: Jesus, Jesus, komm zu mir...», (Aus Kirchliche Umschau, März 2020)