Hl. Josemaría Escrivá
Der Rosenkranz*
So wie in anderen Zeiten
muß der Rosenkranz auch heute
eine mächtige Waffe sein,
uns in unserem inneren Kampf
siegreich sein zu lassen
und allen Menschen zu helfen.
Erhebe deine Stimme zu Maria,
der Herr erwartet
Wiedergutmachung von dir
und ein Lob aus deinem Mund.
Mögest du es immer verstehen,
mit dieser wunderbaren
marianischen Frömmigkeit
und deiner aufmerksamen Liebe
Frieden und Freude zu säen
überall in der Welt.
Rom, im Oktober 1968
An den Leser
Das Rosenkranzgebet ist – mit der Betrachtung der Geheimnisse, der Wiederholung des Vaterunser und Gegrüßet-seist-du-Maria, dem Lob der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und der ständigen Anrufung der Mutter Gottes – ein dauernder Akt des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, der Anbetung und der Sühne.
Josemaría Escrivá
Rom, 9. Januar 1973
Vorwort
Diese Zellen sind nicht für alte Mütterchen geschrieben. – Sie sind für sehr erwachsene und für sehr männliche Menschen geschrieben, die zweifellos manchmal ihr Herz zu Gott erheben und mit dem Psalmisten ausrufen: »Notam fac mihi viam, in qua ambulem; quia ad te levavi animam meam. – Zeig mir den Weg, den ich gehen soll, ich erhebe zu Dir meine Seele (Ps 143,8).
Ich muß diesen Menschen ein Geheimnis verraten, das sehr wohl der Anfang des Weges sein kann, von dem Christus wünscht, daß sie ihm folgen.
Mein Freund: Wenn du groß sein möchtest, dann werde klein!
Um klein zu sein, mußt du glauben, wie die Kinder glauben, lieben, wie die Kinder lieben, blind vertrauen, wie es die Kinder tun... beten, wie die Kinder beten.
All dies ist notwendig, um das, was ich dir in diesen Zeilen entdecken möchte, in die Tat umzusetzen.
Am Anfang des Weges, dessen Ende die ganze Torheit eines Lebens für Jesus ist, steht eine vertrauensvolle Liebe zu Maria. Willst du die Mutter Gottes lieben? – Dann lerne sie kennen! – Wie? – Bete den Rosenkranz Unserer Lieben Frau gut
Aber im Rosenkranz... sagen wir doch immer dasseIbe! – Immer dasselbe? Und sagen sich Verliebte nicht immer dasselbe?... Kann es nicht sein, daß du den Rosenkranz darum eintönig findest, weil du anstatt Worte zu formen nur leere Laute von dir gibst, während deine Gedanken sehr weit von Gott weg sind? – Außerdem, sieh: Vor jedem Gesätz spricht man das Geheimnis aus, das man betrachten will. – Hast du jemals diese Geheimnisse betrachtet?
Werde klein! Komm mit mir, und – das ist das Wesentliche meiner vertrauensvollen Unterhaltung mit dir – wir werden das Leben von Jesus, Maria und Josef leben.
Jeden Tag werden wir Ihnen aufs neue zu Diensten sein. Wir werden ihren Gesprächen zuhören, den Messias heranwachsen sehen, die dreißig Jahre seines verborgenen Lebens bewundern... Wir werden bei seinem Leiden und seinem Tod zugegen sein... und die Herrlichkeit seiner Auferstehung bestaunen... Mit einem Wort: Von Liebe fortgerissen (es gibt keine andere Liebe als die Liebe), werden wir jeden einzelnen Augenblick des Lebens Jesu Christi betrachten.
Anmerkung
zur fünften spanischen Auflage
Für dich, meinen Leser und Freund, habe ich den Rosenkranz geschrieben, damit wir ihn, du und ich, in Sammlung beten, wenn wir uns an Maria wenden.
Um diese Versenkung nicht durch das Geräusch von Worten zu stören, lies diese Gedanken, wenn du sie betrachtest, nicht laut, damit sie nicht ihre Vertraulichkeit verlieren.
Aber sprich das Vaterunser und die Gegrüßet-seist-du-Maria von jedem Gesätz deutlich und ohne Eile aus. So wirst du mehr und mehr wachsen in deiner Liebe zu Maria.
Und vergiß nicht, für mich zu beten.
Rom, am Fest Mariä Lichtmeß, 2. Februar 1952.
Anmerkung
zur zwölften spanischen Auflage
Meine priesterliche Erfahrung sagt mir, daß jeder Mensch seinen eigenen Weg hat. Dennoch will ich dir, lieber Leser, einen praktischen Rat geben, der das Wirken des Heiligen Geistes in dir nicht stören wird, wenn du ihn mit Klugheit befolgst: Verweile für einige – drei oder vier – Sekunden, das jeweilige Geheimnis vor Augen, in der Stille der Betrachtung, bevor du das Vaterunser und die zehn Gegrüßet-seist-du-Maria betest. Ich bin sicher, dadurch wirst du andächtiger und dein Gebet fruchtbarer werden.
Und vergiß nicht, für mich zu beten.
Josemaría Escrivá
Rom, am Fest Mariä Geburt, 8. September 1971
Die freudenreichen Geheimnisse
Die Verkündigung
Vergiß nicht, mein Freund, daß wir Kinder sind. Die Frau mit dem liebenswerten Namen, Maria, ist ins Gebet vertieft.
Du kannst in jenem Haus das sein, was du gern möchtest: ein Freund oder Diener, ein Neugieriger, ein Nachbar... Ich traue mich nicht, überhaupt etwas zu sein. Ich verberge mich hinter dir und betrachte voll Staunen die Szene: Der Erzengel verkündet seine Botschaft... »Quomodo fiet istud, quoniam virum non cognosco?« – Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? (Lk 1,34)
Die Stimme unserer Mutter ruft mir dagegen alle Unreinheit der Menschen in Erinnerung... auch die meine.
Wie hasse ich jetzt diese gemeinen irdischen Erbärmlichkeiten!... Welche Vorsätze!
»Fiat mihi secundum verbum tuum.« Mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38).
Beim wunderbaren Aussprechen dieser jungfräulichen Antwort ist das Wort Fleisch geworden.
Das erste Gesätz geht zu Ende... Noch habe ich Zeit, meinem Gott eher als jeder andere zu sagen: Jesus, ich liebe Dich.
Jetzt, mein Kind und Freund, weißt du dich schon allein zurechtzufinden. Begleite freudig Josef und Maria... und lausche der Geschichte des Hauses David: von Elisabeth und Zacharias wird man sprechen, du wirst von der lauteren Liebe Josefs bewegt sein, und jedesmal, wenn sie das Kind erwähnen, das in Bethlehem geboren werden soll, wird dein Herz schneller schlagen.
Wir eilen in eine Stadt im Bergland von Judäa (Lk 1,39).
Wir sind da. Es ist das Haus, wo Johannes der Täufer geboren wird. – Elisabeth ruft voll Dankbarkeit der Mutter ihres Erlösers zu: Du bist gebenedeit unter allen Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. – Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? (Lk 1,42-43)
Der Täufer hüpft in ihrem Schoß... (Lk 1,41). – Die Demut Mariens zeigt sich im Magnificat... Und du und ich, die wir stolz sind, die wir stolz waren, versprechen, demütig zu sein.
Die Geburt Jesu
Ein Befehl ging von Kaiser Augustus aus, alle Bewohner des Reiches aufzuzeichnen. Jeder mußte daher in seine Vaterstadt gehen. – Auch Josef reist mit der Jungfrau Maria von Nazareth nach Judäa in die Stadt, die Bethlehem heißt, da er aus dem Haus und Geschlecht Davids ist (Lk 2,1-5).
Und in Bethlehem kommt unser Gott zur Welt: Jesus Christus! – In einem Stall, denn in der Herberge gibt es keinen Platz. Seine Mutter wickelt Ihn in Windeln und legt Ihn in eine Krippe (Lk 2,7).
Kalt. – Ärmlich. – Ich bin Josefs Diener. Wie gut er ist! – Er behandelt mich wie seinen Sohn. – Und er verdenkt es mir nicht, wenn ich das Kind in meine Arme nehme und Es unter zärtlichen, glühenden Worten Stunde um Stunde halte!
Ich küsse Es – tu du es auch – und ich wiege Es in meinen Armen, und singe vor Ihm und nenne Es König, Liebe, mein Gott mein Ein und mein Alles!... Wie liebenswert ist das Kind... und wie kurz das Gesätz.
Die Darstellung im Tempel
Als die Tage der Reinigung der Mutter nach dem Gesetz des Moses erfüllt waren, mußten sie mit dem Kind nach Jerusalem gehen, um Es dem Herrn darzustellen (Lk 2,22).
Und diesmal bist du es, mein Freund, der den Korb mit den Turteltauben trägt. Siehst du? Sie, die Unbefleckte, unterwirft sich dem Gesetz, als ob sie der Reinigung bedürfte.
Lehrt dich dieses Beispiel nicht, mein törichtes Kind, das heilige Gesetz Gottes trotz aller persönlichen Opfer zu erfüllen?
Sich reinigen! Du und ich, wir brauchen wirklich Läuterung! – Sühne, und weit mehr als nur das: die Liebe. Eine Liebe, die wie ein glühendes Eisen den Schmutz von unserer Seele wegbrennt, die wie ein Feuer unsere armseligen Herzen mit göttlichen Flammen entzündet.
Ein gerechter und gottesfürchtiger Mann ist auf Eingebung des Heiligen Geistes in den Tempel gekommen. Ihm war geoffenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, bevor er Christus gesehen habe. Er nimmt den Messias in seine Arme und spricht: Nun lässest Du, Herr, Deinen Knecht nach Deinem Wort in Frieden scheiden... denn meine Augen haben den Heiland geschaut (Lk 2,25-30).
Wo ist Jesus? Herrin, das Kind... wo ist Es?
Maria weint. – Vergeblich sind du und ich schon von einer Gruppe zur anderen, von der einen Reisegesellschaft zur nächsten gelaufen: Sie haben Ihn nicht gesehen. – Umsonst versucht Josef, seine Tränen zurückzuhalten – jetzt weint auch er... Und du... und ich...
Ich weine mir die Augen aus, da ich nun einmal ein grober Kerl bin, und ich schreie zum Himmel auf und beklage die Zeit da ich Ihn durch meine Schuld verlor und nicht weinte.
Jesus: daß ich Dich niemals mehr verliere... Und jetzt sind wir, du, mein Freund, und ich, im Unglück und im Schmerz verbunden, so wie wir in der Sünde verbunden sind. Und aus unserem Innersten steigen Seufzer tiefer Zerknirschung und Worte voll Inbrunst, die keine Feder aufschreiben kann noch darf. Dann, welcher Trost – drei Tage war Er verschwunden – welche Freude, Jesus wiederzufinden, wie Er mit den Gelehrten Israels disputiert (Lk 2,46). Und deiner Seele und meiner bleibt die Verpflichtung fest eingeprägt, Haus und Familie zu verlassen, um dem himmlischen Vater zu dienen.
Die schmerzensreichen Geheimnisse
Die Todesangst im Ölgarten
Betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. – Petrus ist eingeschlafen. – Und die anderen Apostel auch. – Und auch du bist eingeschlafen, mein Kind und Freund... und auch ich war ein schläfriger Petrus.
Jesus, allein und traurig, leidet und tränkt die Erde mit seinem Blut.
Auf dem harten Boden kniend harrt Er aus im Gebet. – Er weint um dich... und um mich: die Sünden der Menschen lasten schwer auf Ihm.
»Pater, si vis, transfer calicem istum a me.« – Vater, wenn Du willst, laß diesen Kelch an mir vorübergehen... Doch nicht mein Wille, »sed tua fiat«, sondern der Deine geschehe (Lk 22,42).
Ein Engel vom Himmel stärkt Ihn. Jesus leidet Todesangst. – Er hält durch, »prolixius«, und betet noch inbrünstiger... Er kommt herüber zu uns, die wir schlafen: Steht auf und betet, bittet Er uns erneut, damit ihr nicht in Versuchung geratet (Lk 22,46).
Judas der Verräter: mit einem Kuß. – Das Schwert des Petrus leuchtet auf in der Nacht. – Jesus spricht: Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen, um mich festzunehmen? (Mk 14,48)
Feige folgen wir von weitem, aber jetzt wach und betend. – Gebet... Gebet...
Die Geißelung
Pilatus spricht: Es ist Brauch, daß wir euch zu Ostern einen freigeben. Wen sollen wir freilassen, Barrabas – einen Räuber, der mit anderen wegen Mordes eingekerkert worden war – oder Jesus? (Mt 27,17) Töte diesen und gib den Barrabas frei, schreit die Menge, aufgestachelt von den Ältesten (Lk 23,18).
Noch einmal spricht Pilatus: Und was soll ich mit Jesus tun, der Christus genannt wird? (Mt 27,22) – »Crucifige eum!« Kreuzige Ihn! (Mk 15,13)
Pilatus sagt ihnen zum dritten Mal: Aber was hat Er Schlimmes getan? Ich habe keine Todesschuld an Ihm gefunden (Lk 23,22).
Das Geschrei der Menge schwillt an: Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn! (Mk 15,14) Und Pilatus, der das Volk zufriedenstellen will, gibt ihnen den Barrabas frei und läßt Jesus geißeIn.
An die Säule geschnürt. Mit Wunden übersät.
Die Schläge der Riemen sausen nieder auf seinen zerfetzten Leib, auf seinen makellosen Leib, der für deinen sündigen Leib leidet. – Weitere Schläge. Weiter die Raserei... Noch mehr... Es ist der Ausbund menschlicher Grausamkeit. Schließlich, als sie erschöpft sind, binden sie Jesus los. – Und Christi Leib, ausgezehrt von Schmerz, fällt wie ein Wurm zerfleischt und halbtot.
Du und ich, wir können nicht sprechen. Worte sind überflüssig. – Sieh Ihn an, sieh Ihn an... und wende deine Augen nicht ab.
Kannst du nach all dem die Buße noch fürchten?
Die Leidenssehnsucht unseres Königs ist erfüllt.
Sie führen meinen Herrn in das Innere des Palastes, und dort rufen sie die ganze Kohorte zusammen (Mk 15,16). Die brutalen Soldaten haben seinen ganz reinen Leib entblößt. – Mit einem Purpurfetzen, alt und schmutzig, bekleiden sie Jesus. Ein Rohr als Zepter in seiner Rechten...
Die Dornenkrone, ins Blut getrieben, macht Ihn zum König des Hohns... »Ave Rex Iudaeorum!« – Sei gegrüßt, König der Juden (Mk 15,18). Mit Schlägen verwunden sie sein Haupt. Und sie ohrfeigen Ihn und spucken Ihn an.
Mit Dornen gekrönt und mit Lumpen aus Purpur bekleidet wird Jesus den Juden vorgeführt: »Ecce homo!« Seht, welch ein Mensch! Die Hohenpriester und die Diener beginnen von neuem zu schreien: Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn! (Joh 19,5-6)
Haben wir, du und ich, Ihn nicht aufs neue mit Dornen gekrönt, Ihn geohrfeigt und Ihn angespuckt?
Nie wieder, Jesus, nie wieder... Und ein fester und klarer Vorsatz beschließt diese zehn Gegrüßet-seist-du-Maria.
Mit seinem Kreuz auf den Schultern geht Er hinaus nach KaIvaria, dem Ort, der auf hebräisch GoIgotha heißt (Joh 19,17). Und sie halten einen gewissen Simon von Cyrene an, der gerade vom Feld kommt, und laden ihm das Kreuz auf, daß er es Jesus nachtrage (Lk 23,26).
Jetzt erfüllte sich das Wort des Isaias »cum sceleratis reputatus est« – Er wurde unter die Missetäter gezählt (Jes 52,12); denn mit Ihm führten sie noch zwei andere, die Verbrecher waren, zur Hinrichtung (Lk 23,32).
Wenn einer mir nachfolgen will... Mein Kind und Freund, wir sind traurig beim Durchleben des Leidens unseres Herrn. – Sieh, mit welcher Liebe Er das Kreuz umfängt. – Lerne von Ihm. – Jesus trägt das Kreuz für dich – du, trage es für Jesus.
Aber schleife dein Kreuz nicht hinter dir her... Nimm es fest auf deine Schultern, weil dein Kreuz, wenn du es so trägst, nicht mehr irgendein Kreuz sein wird... sondern das Heilige Kreuz. Werde nicht mutlos unter dem Kreuz. Resignation ist ein wenig großzügiges Wort. Liebe das Kreuz. Wenn du es wirklich liebst, wird dein Kreuz... ein Kreuz ohne Kreuz sein.
Und ganz sicher wirst du wie Er Maria auf dem Weg begegnen.
Bereit steht der Siegesthron für Jesus von Nazareth, den König der Juden. Du und ich, wir sehen nicht, wie Er sich krümmt, als man Ihn annagelt. Er leidet, was einer nur leiden kann, und breitet seine Arme aus in der Haltung des Ewigen Priesters.
Die Soldaten nehmen seine ehrwürdigen Kleidungsstücke und machen vier Teile daraus. Um den Leibrock nicht zu zerschneiden, werfen sie das Los darüber, wem er zufallen soll. So erfüllt sich abermals die Schrift: Sie teilten meine Kleider unter sich und warfen um mein Gewand das Los (Joh 19,23-24).
Er ist schon erhöht... – Und ganz nahe bei ihrem Sohn, am Fuße des Kreuzes seine Mutter Maria... und Maria, die Frau des Kleophas und Maria Magdalena. Und Johannes, der Jünger, den Jesus liebte. »Ecce Mater tua!« Sieh da deine Mutter! Er gibt uns seine Mutter zu unserer Mutter.
Sie hatten Ihm vorher Wein mit Galle vermischt gegeben. Als Er davon gekostet hat, will Er nicht trinken (Mt 27,34). Jetzt dürstet Ihn... nach Liebe, nach Menschen. »Consummatum est.« – Es ist vollbracht (Joh 19,30).
Törichtes Kind, sieh: All das... all das hat Er für dich gelitten... und für mich. – Und du brichst nicht in Tränen aus?
Die glorreichen Geheimnisse
Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und den Leichnam Jesu zu salben. – In aller Frühe kommen sie am ersten Tag der Woche, als eben die Sonne aufgeht, am Grabe an (Mk 16,1-2). Sie treten ein und halten bestürzt inne: der Leib des Herrn ist nicht mehr da. Ein junger Mann, angetan mit weißen Kleidern, sagt ihnen: Fürchtet euch nicht, ihr sucht Jesus von Nazareth: »non est hic, surrexit enim sicut dixit« – Er ist nicht hier, denn Er ist auferstanden, wie Er gesagt hat (Mt 28,5).
Er ist auferstanden! – Jesus ist auferstanden. Er ist nicht mehr im Grab. – Das Leben hat den Tod überwunden.
Er erschien seiner heiligsten Mutter. – Er erschien Maria Magdalena, die außer sich ist vor Liebe. – Und dem Petrus und den anderen Aposteln. – Und Er erschien dir und mir, die wir seine Jünger sind und noch mehr außer uns als Magdalena. Was haben wir Ihm nicht alles gesagt!
Daß wir nie wieder durch die Sünde sterben wollen; daß unsere geistige Auferstehung ewig dauern möge. – Und bevor wir das Gesätz beenden, hast du die Wunden seiner Füße geküßt... und ich, noch verwegener, weil noch mehr Kind, habe meine Lippen auf seine geöffnete Seite gedrückt.
Nun lehrt der Meister seine Jünger: Er hat ihnen das Verständnis für den Sinn der Schrift erschlossen und nimmt sie zu Zeugen seines Lebens, seiner Wunder, seines Leidens und Todes und der Herrlichkeit seiner Auferstehung (Lk 24,45.48).
Dann führt Er sie hinaus, nach Bethanien zu, erhebt seine Hände und segnet sie. So scheidet Er von ihnen und fährt zum Himmel auf (Lk 24,50), bis eine Wolke Ihn ihren Blicken entzieht (Apg 1,9).
Jesus ist wieder beim Vater. – Zwei Engel in weißen Gewändern nähern sich uns und sagen: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? (Apg 1,9)
Petrus und die anderen kehren nach Jerusalem zurück – »cum gaudio magno«, mit großer Freude (Lk 24,52). – Es ist nur gerecht, daß die heilige Menschheit Christi vom ganzen Chor der Engel und all den Scharen der Seligen im Himmel Huldigungen, Jubelrufe und Anbetung empfängt.
Aber du und ich, wir fühlen uns verwaist: traurig suchen wir Trost bei Maria.
Der Herr hatte gesagt: Ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Beistand, einen anderen Tröster schicken, daß Er für immer bei euch bleibe (Joh 14,16). – Die Jünger waren alle an einem Ort versammelt, als plötzlich vom Himmel her ein Brausen gleich dem eines heftigen Windes entstand und das ganze Haus erfüllte, wo sie waren. Gleichzeitig verteilten sich Zungen wie von Feuer und ließen sich auf jeden einzelnen von ihnen nieder (Apg 2,1-3).
Erfüllt vom Heiligen Geist sind die Apostel wie trunken (Apg 2,13).
Und Petrus, umgeben von den übrigen Elf, erhob seine Stimme und redete. Wir, Menschen aus hundert Ländern, verstehen ihn. Jeder hört ihn in seiner Muttersprache. – Du und ich in der unseren. – Er spricht zu uns von Jesus Christus, vom Heiligen Geist und vom Vater.
Weder steinigen sie ihn noch sperren sie ihn in den Kerker: sie bekehren sich, und dreitausend von denen, die ihn gehört haben, lassen sich taufen.
Nachdem du und ich den Aposteln beim Spenden der Taufe geholfen haben, preisen wir Gott den Vater durch seinen Sohn Jesus, und wir fühlen uns ebenfalls trunken vom Heiligen Geist.
»Assumpta est Maria in coelum: gaudent angeli!« – Maria ist mit Leib und Seele von Gott in den Himmel aufgenommen worden: Und die Engel frohlocken!
So singt die Kirche. – Und mit dem gleichen Jubelruf beginnen wir die Betrachtung dieses Rosenkranzgeheimnisses. Die Mutter Gottes ist entschlafen. – Die zwölf Apostel umgeben ihr Lager, Matthias an Stelle von Judas.
Und auch wir sind an ihrer Seite, durch eine besondere Gunst, die alle achten.
Aber Jesus will seine Mutter mit Leib und Seele im Himmel haben. – Und die himmlischen Heerscharen entfalten ihren ganzen Glanz, um die Herrin in Freuden aufzunehmen. – Du und ich, schließlich nur Kinder, nehmen die Schleppe des leuchtend blauen Mantels der Jungfrau und können so jene ganze Pracht beobachten.
Die Heiligste Dreifaltigkeit empfängt die Tochter, Mutter und Braut Gottes und überhäuft sie mit Ehren... – Und so groß ist die Majestät Mariens, daß die Engel sich fragen: Wer ist doch diese?
Ganz schön bist du und kein Makel ist an dir. Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell. – »Veni: coronaberis. – Komm, du sollst gekrönt werden (Hld 4,7.12.8).
Hätten du und ich die Macht gehabt, auch wir hätten sie zur Königin und Herrin der ganzen Schöpfung gemacht.
Ein großes Zeichen erschien am Himmel: Eine Frau mit einer Krone von zwölf Sternen auf ihrem Haupt, umkleidet mit der Sonne, der Mond zu ihren Füßen (Offb 12,1). Maria, die Jungfrau ohne Makel, hat den Sündenfall Evas wiedergutgemacht: sie hat mit ihrem unbefleckten Fuß der Höllenschlange den Kopf zertreten.
Tochter Gottes, Mutter Gottes, Braut Gottes!
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist krönen sie als die Herrin des Universums.
Und die Engel huldigen ihr als ihre Gefolgsleute... und die Patriarchen und die Propheten und die Apostel... und die Märtyrer und die Bekenner und die Jungfrauen und alle Heiligen... und alle Sünder und du und ich.
Litanei
Nun erschallt die Lauretanische Litanei, im Glanz immer neuen Lichts, in der Vielfalt ihrer Farben und Bedeutungen.
Anrufungen zum Herrn, zu Christus; Bitten an jede einzelne der göttlichen Personen und an die Heiligste Dreifaltigkeit; Worte glühender Liebe für Maria: Mutter Christi, unbefleckte Mutter, Mutter des guten Rates, Mutter des Schöpfers, Mutter des Erlösers... weise Jungfrau... Sitz der Weisheit, geheimnisvolle Rose, Turm Davids, Bundeslade, Morgenstern... Zuflucht der Sünder, Trösterin der Betrübten, Hilfe der Christen...
Und eingedenk ihrer Herrschaft – »Regina!« Königin! – und ihrer Mittlerschaft: »Sub tuum praesidium confugimus«, unter deinen Schutz fliehen wir, heilige Mutter Gottes... erlöse uns von allen Gefahren, du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau.
Bitte für uns, Königin des heiligen Rosenkranzes, auf daß wir würdig werden der Verheißungen unseres Herrn Jesus Christus.
Mein Freund: Ich habe dir etwas von meinem Geheimnis anvertraut. An dir liegt es nun, mit Gottes Hilfe das übrige zu entdecken. Nur mutig! Sei treu!
Werde klein. Der Herr verbirgt sich vor den Stolzen und tut den Demütigen die Schätze seiner Gnade kund.
Hab keine Angst, daß sich bei dir, wenn du auf eigene Faust diesen Weg weitergehst, Empfindungen und Worte einstellen, die kühn und kindlich sind. Gerade das liebt Jesus. Und Maria ermutigt dich dazu. Wenn du so den Rosenkranz betest, dann wirst du lernen, gut zu beten.
Der Autor
Der selige Josemaría Escrivá de Balaguer wurde am 9. Januar 1902 im nordspanischen Barbastro geboren. Er war etwa 15, als er seine Berufung durch Gott ahnte. Daraufhin faßte er den Entschluß, Priester zu werden. 1918 begann er mit dem Studium der Theologie im Priesterseminar von Logroño. Ab 1920 studierte er an der Universität Saragossa, wo er 1923 auch ein Jurastudium aufnahm. Am 28. März 1925 wurde er zum Priester geweiht.
Sein priesterliches Wirken begann er im dörflichen Perdiguera. Später war er in Saragossa tätig. Im Frühjahr 1927 ging er mit bischöflichem Einverständnis nach Madrid, um dort das Juraexamen abzulegen.
Seine seelsorgliche Tätigkeit begann er in den Elendsvierteln Madrids, unter Kranken und Sterbenden. Er übernahm die Kaplanei eines Krankenhilfswerkes, das von den »Frauen vom Allerheiligsten Herzen Jesu« geführt wurde. Außerdem war er neben der juristischen Promotion als Dozent tätig.
Am 2. Oktober 1928 ließ Gott ihn »sehen«, was er bislang nur geahnt hatte: das Opus Dei. Auf eine weitere göttliche Eingebung hin begann er am 14. Februar 1930 das Apostolat des Opus Dei unter Frauen.
Seitdem ging der Gründer des Opus Dei ganz in seiner Sendung auf. Während des spanischen Bürgerkrieges versah er seinen priesterlichen Dienst - nicht selten unter Lebensgefahr - zunächst weiter in Madrid, später in Burgos.
Am 14. Februar 1943 gründete er die mit dem Opus Dei verbundene Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz, die die Priesterweihe von Laienmitgliedern des Opus Dei und ihre Inkardination für den Dienst des Werkes ermöglichte. Später sollte auch Diözesanpriestern die Zugehörigkeit zum Opus Dei durch Ausübung der priesterlichen Pflichten und in ausschließlicher Abhängigkeit vom eigenen Bischof möglich werden.
1946 verlegte Josemaría Escrivá seinen Wohnsitz nach Rom, wo er bis zu seinem Tod lebte. Von dort aus leitete er die weltweite Ausbreitung des Opus Dei. Josemaría Escrivá starb am 26. Juni 1975 in seinem Arbeitszimmer in Rom. Sein Leben Gott für die Kirche und für den Papst aufzuopfern, war ihm seit Jahren zur Gewohnheit geworden.
Als sein Nachfolger in der Leitung des Opus Dei wurde einstimmig am 15. September 1975 Alvaro del Portillo, über Jahrzehnte sein engster Mitarbeiter, gewählt.
Am 28. November 1982 errichtete Papst Johannes Paul II. das Opus Dei als Personalprälatur. Mit dieser neuen Rechtsform erhielt das Werk die rechtliche Gestalt, die der Gründer gewünscht hatte.
Josemaría Escrivá stand bereits zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit, der sich nach seinem Tod weiter ausbreitete. Der Seligsprechungsprozeß wurde am 12. Mai 1981 in Rom eröffnet. Papst Johannes Paul II. erklärte am 9. April 1990 den heroischen Tugendgrad des Gründers. Ein Dekret vom 6. Juli 1991 anerkennt eine auf die Fürsprache von Josemaría Escrivá erwirkte Krankenheilung. Papst Johannes Paul II. hat den Gründer des Opus Dei am 17. Mai 1992 auf dem Petersplatz in Rom seliggesprochen. Seit dem 21. Mai 1992 ruht der Leichnam des Seligen unter dem Altar der Kirche »Maria vom Frieden« im Zentralsitz der Prälatur in Rom. In Dankbarkeit suchen viele Menschen aus der ganzen Welt, die durch das Leben und die Lehre des seligen Josemaria Gott nähergekommen sind, seine Fürsprache bei Gott.
Unter seinen veröffentlichten Schriften finden sich neben der theologisch-juristischen Studie »La Abadesa de las Huelgas« geistliche Bücher, die in viele Sprachen übersetzt sind »Der Weg«, »Der Rosenkranz«, »Christus begegnen«, »Freunde Gottes«, »Der Kreuzweg«, »Die Spur des Sämanns«, »Im Feuer der Schmiede«, »Gespräche«.
* Das Buch erschien erstmals 1934 unter dem Titel Santo Rosario
Ins Deutsche übertragen von Horst Hennert
© by Scriptor S.A., Madrid für die deutsche Ausgabe:
© 1992 by Adamas Verlag GmbH, Köln Postfach 410107, D-50861 Köln
Mit kirchlicher Druckerlaubnis Aachen. Der Generalvikar: Wäckers
ISBN 3 9257 46 16 1